Menü
  • Kulturtour - Stein, Wein & Farbe
  • Vitaltour - Stein, Wein & Farbe

Auszüge aus dem Zunftbuch der 6. Zunft

Mitglieder der sechsten Zunft 1662
Eintragungen aus dem Jahr 1772
Eintragungen aus dem Jahr 1772
Eintragungen aus dem Jahr 1772
Eintragung aus dem Jahr 1911

Die Zünfte

Eine jahrhundertelange Gemeindetradition in Wallhausen (und auch in einigen Gemeinden unserer Region) sind die Zünfte.

» Die Handwerkszünfte sind wohl bekannt, doch was sind das für Zünfte, von denen hier die Rede ist? «


"Ein zünftiges Fest feiern" heißt es heute noch im Sprachgebrauch, wenn alle Verwandten und Bekannten sich bei einem Treffen vereinen und gemeinsam feiern. Auch Wallhausen versteht es zu feiern. Was bedeutet also Zunft? Man muss sich dazu in die Zeit des Mittelalters versetzen:

Das ganze Land war in viele kleine Herrschaftsgebiete geteilt. Man befeindete sich untereinander und die meisten Leute waren Leibeigene oder zumindest von ihrer Herrschaft abhängig. Sozialversicherung oder Arbeitslosengeld gab es nicht. Wenn man krank wurde, verdiente man nichts. Jeder musste für sich selbst sorgen. Zur damaligen Zeit gab es noch Pest und Cholera. Die Menschen starben wie die Fliegen. Die Meisten konnten nicht mal die Beerdigung ihrer Verwandten bezahlen.

Bruderschaften und Handwerkszünfte waren bereits bekannt und hatten sich durch gegenseitige Hilfe bewährt. So beschloss man nach dem Motto "Einer für alle, alle für Einen" in den Dörfern eine Nachbarschaftszünfte ins Leben zu rufen. Ganz besonderen Einfluß hatte zu dieser Zeit die Kirche. Ihr lag natürlich daran, den christlichen Gedanken der Nächstenliebe in die Tat umzusetzen. Wenn die Not am größten war, ging man zum Pfarrer. So gründete man eine Gemeinschaft, die sich in allen Belangen des Lebens untereinander half, sei es bei der Besorgung des Sarges, bei der Beerdigung, bei Krankheiten oder auch beim Weinladen und Einkellern. Wenn einer allein nicht weiterkam, wurden die Nachbarn angefordert. Jeder mußte dann auch helfen.

Zuwiderhandlungen gegen die Zunftgesetze(-ordnungen) wurden bestraft. Im Vordergrund stand neben dem materiellen Gedanken ganz besonders ein edler Grund. Wenn man sich die Zunftordnungen ansieht, findet man da Gebote und Verbote über das sittliche und christliche Betragen der Zunftmitglieder. So waren die Sonn- und Feiertage zu heiligen, das Wort Gottes mit Fleiß anzuhören und sich Zank, Steit und Lügen, Schwatzhaftigkeit und Unmäßigkeit zu enthalten. Nach den heutigen Überlieferungen entstanden die Zünfte in Wallhausen 1549. Es waren dies die "ehrbare Rathhäuser Zunft" und die "Ehrbare Buchgässer Zunft".

Es folgten 1572 die "Ehrbare Schafwinkeler Zunft", 1582 die "Ehrbare Obere Mühlengässer Zunft" und die "Ehrbare Untere Mühlengässer Zunft". Im Laufe der Zeit folgten noch einige Zünfte, deren Gründungsjahr man allerdings nicht genau datieren kann. Im heutigen Zeitalter der Technik, der Sozialversicherung und der Sozialbelange des Staates ist der Sinn und Zweck der Nachbarschaftshilfe sicher nicht mehr der gleiche wie früher. Aber die guten Erfahrungen und der Zusammenhalt sorgen dafür, dass die Zünfte erhalten blieben, ja daß auch jetzt noch neue gegründet werden, weil das Dorf immer größer wurde, insbesondere in den letzten 40 Jahren.


Was macht die Zunft heute? Einen Sarg braucht wohl kein Nachbar zu zahlen, aber der Nachbarschaftsgedanke zählt weiterhin. Stirbt ein Mitglied der Zunft oder ein Angehöriger, so wird der Sarg von den Zunftmitgliedern zum Grab getragen - unentgeltlich! Nachbarschaftshilfe wird auch geleistet, wenn es Probleme gibt. So hilft man sich gegenseitig beim "Wingert-Schneiden", auch bei der Ernte oder wo es sonst notwendig ist. Für die Benachrichtigung eines Einsatzes sorgt der jeweilige "Zunftmeister". Er wird von Jahr zu Jahr bestimmt. Sein Amt fängt am Aschermittwoch an und geht bis zum nächsten Fastnachtsdienstag. An diesem Tag trifft sich die Zunftversammlung, bespricht das vergangene Jahr und fasst Beschlüsse für das kommende. Der Zunftmeister muss diese Treffen ausrichten. Bemerkenswert ist, dass an diesen Treffen nur Männer teilnehmen, was wohl daher kommt, dass die Familienoberhäupter von alters her Männer waren. Die Frauen begnügen sich damit , diese Zunfttreffen maskiert aufzusuchen -es ist ja noch Fastnacht- und dort ein wenig für Verwirrung zu sorgen. Wenn alles besprochen worden ist, werden die Zunftgeschäfte auf den neuen Zunftmeister übertragen. Über das Jahr wird Buch geführt. So hat man auch heute noch einen guten Überblick über das Geschehen in der Zunft, wie auch im Ort, bis zum Teil in die Gründerjahre zurück. Viele Zunftbücher existieren noch und geben darüber ein interessantes Zeugnis ab, wie die hier abgebildeten Originalauszüge aus der sechsten Zunft belegen.